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Zur Relevanz der Mensch-Natur-Beziehung in der Nachhaltigkeitsdebatte. Ergänzungen zu einem relationsethischen Ansatz

07.10.2024

Nachfolgend erhalten Sie einen Einblick in die Einleitung meiner Abschlussarbeit. Wenn Sie an der vollständigen Arbeit interessiert sind, sende ich sie Ihnen gerne auf Anfrage zu.

Abstract

Diese Arbeit widmet sich der Frage nach der Relevanz der Mensch-Natur-Beziehung und ihrer Bedeutung angesichts der drängenden ökologischen und klimatischen Herausforderungen unserer Zeit. Im Zentrum steht die These, dass nachhaltiges Handeln eine vertiefte interdisziplinäre Reflexion der anthroporelationalen Verbundenheit zwischen Mensch und Natur erfordert sowie ein kritisches Überdenken der moralischen Relevanz der Natur voraussetzt. In einer disziplinübergreifenden Auseinandersetzung mit natur-, geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskursen wird aufgezeigt, inwiefern eine anthropologisch begründete Beziehungsethik das Verständnis von Nachhaltigkeit vertiefen und zu einem verantwortungsvolleren Umgang mit den natürlichen Lebensgrundlagen beitragen kann.

«Whatever we understand and enjoy in human products instantly becomes ours, wherever they might have their origin.»​

– Rabindranath Tagore, Letters to a Friend

A. Einleitung

 

1. Hinführung

Umweltethik beschäftigt sich mit naturethischen Problemen, die auftreten, wenn es darum geht, dass die Natur für uns als Umwelt relevant ist, weil sie unsere Existenz- und Handlungsmöglichkeiten bestimmt und begrenzt (Bartels, 2023, 227). In diesem Diskurs haben sich verschiedene nebeneinander existierende umweltethische Grundpositionen wie Anthropo-, Patho-, Bio- und Ökozentrismus herausgebildet, die unterschiedliche Standpunkte vertreten. Die Betrachtung wird stets aus der Perspektive der Menschen auf ihre Umwelt vorgenommen. Dabei wird über die Notwendigkeit der moralischen Berücksichtigung und den Eigenwert der übrigen einzelnen Lebewesen oder ganzer Ökosysteme samt Naturerscheinungen diskutiert. Danach wird das Verhältnis zwischen Berücksichtigung der Umwelt und den Bedürfnissen der Menschen anhand normativer Theorien begründet wie auch darüber verhandelt, wie Wesen mit einem moralischen Status zu behandeln sind. Alternativ existieren Ansätze mit Agent-Fokus, die aus ökologischer Tugendethik und relationalen Positionen wie Ökofeminismus bestehen.

 

2. Erläuterungen zur Argumentation

Im Unterschied zu umweltethischen Grundpositionen, die den Eigenwert und die moralische Berücksichtigungswürdigkeit der Umwelt ins Zentrum stellen, werde ich in dieser Studie die relationalen Werte selbst zum Ausgangspunkt der ethischen Betrachtung machen. Zu diesem Zweck werden die relationale Wertschätzung und die relationalen Beziehungen, die mit der Natur verbunden sind, einer umfassenden Analyse unterzogen. Das Interesse meiner Untersuchung ist in der Hypothese begründet, dass für eine ausbeutungsarme Mensch-Natur-Beziehung relationale Werte verantwortlich sind, die durch die Interaktion mit der Natur in einem kooperativen Prozess des Zusammenwirkens von welterkundender Neugier und achtsamer, wertschätzender Sozialisation entwickelt werden. Die Entfremdung von der Natur, die Urbanisierung und die damit verbundene Aufteilung und Ausdifferenzierung der innergesellschaftlichen Rollen, Funktionen und Tätigkeiten werden als wesentliche Faktoren für den Wertewandel und die Herausbildung eines Charaktertyps gesehen, der Teile der Umwelt als eigene Verfügungsobjekte wahrnimmt und einen nachhaltigkeitsfernen Lebensstil führt. Als Kontrast zu diesem Typus werden zu Beginn der Argumentation naturverbundene Völker mit ihren Lebensweisen und Gesellschaftssystemen eingeführt, die die Natur als ihre Lebensgrundlage betrachten und sich selbst als Teil der Natur verstehen. Danach werden Argumente aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen gesammelt, die sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie der Herausbildung relationaler Werte befassen. Ziel dieser Auseinandersetzung ist die Entwicklung von Lösungsansätzen zur Förderung der Naturverbundenheit sowie zur Sicherung einer intakten Umwelt.

 

3. Aufbau der Studie

Nach der Klärung einzelner Begriffe und Definitionen sowie der Einführung in umweltethische Positionen führt mich meine Betrachtung zunächst zu Überlegungen über Einflüsse verschiedener Systeme auf das Denken und Handeln der Individuen und Kollektive und weiter zu den Auswirkungen, die eine Änderung des Systems bei bestimmten Voraussetzungen mit sich bringen könnte. Im Weiteren unternehme ich einen Exkurs in die Welt der Emotionen und zu deren Rolle bei der Entwicklung der Gefühle und Gestaltung natürlicher Bindungsprozesse im Kindesalter (und darüber hinaus) sowie die Einflüsse dieser Prozesse auf die Herausbildung einer Mensch-Natur-Verbindung und Mensch-Natur-Beziehung. Nicht ausser Acht lasse ich die besondere Rolle der Bezugspersonen und ihnen innewohnenden Charaktereigenschaften. Weiter gehe ich auf die evolutionsgeschichtlichen Zusammenhänge und deren Auswirkungen auf die Entwicklung einer Gesellschaft nach Übersiedlung von einer ländlichen in eine städtische Gegend ein. Anschliessend beleuchte ich die Bestrebungen der Umwelt- im Gegensatz zur Naturästhetik sowie die Rolle der ästhetischen Theorien bei der Herausbildung des Herrschaftsverständnisses gegenüber der Natur sowie über deren Fähigkeit, neue Umwandlungen anzustossen. An Werkbeispielen der zeitgenössischen Kunst zeige ich einzelne Ansätze und Möglichkeiten auf, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen und gesellschaftsrelevante Beiträge in anderen Bereichen zu leisten. Schliesslich gehe ich auf die erziehungswissenschaftliche Debatte über Chancen und Risiken der Implementierung von Bildung für nachhaltige Entwicklung ein und nehme eine Verortung der Wiederentdeckung relationaler Werte innerhalb der globalen Debatte und in der lokalen pädagogischen Praxis vor. Zuletzt ziehe ich aus der vorliegenden Studie zu Gründen und Möglichkeiten der Wiederbelebung der relationalen Werte durch die Mensch-Natur-Beziehung Handlungs- und Implementierungsempfehlungen für Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.

4. Überleitung

Meiner Einschätzung nach ist es den Menschen am ehesten möglich, die Welt aus ihrer persönlichen Perspektive zu begreifen und zu verstehen. Zwar besitzen sie die Fähigkeit, sich in komplexe Sachverhalte und Empfindungen hineinzudenken, zugleich können sie Perspektiven jedoch nur aus ihren eigenen (sinnlichen, körperlichen und kognitiven) Wahrnehmungen und Erfahrungen einnehmen und sind deswegen in ihren Interpretationsmöglichkeiten auf den Stand eigener Vorkenntnisse und Imaginationskraft beschränkt. Daraus schliesse ich, dass alle eingeleiteten systemischen Veränderungen sowie eine Erweiterung systembezogener und -unabhängiger Erfahrungen bei den Menschen neue Denk- und Handlungsmuster erzeugen. Diese Annahme erlaubt uns zu einem bestimmten Grade, nicht nur Prognosen über vergangene und zukünftige Lebensweisen aufzustellen, sondern diese Erkenntnisse in verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie Wirtschaft, Politik und Pädagogik zu nutzen. Können die Menschen der Betrachtungsweise aus ihrer Position heraus nicht entgehen, werden sie für Argumente empfänglich sein, die sie bei ihrem Weltbild bzw. ihrem Erfahrungshorizont abholen. Um die Umwelt dauerhaft und sicher zu schützen, sollen dementsprechend neue Strukturen geschaffen werden, die das Weltbild verändern und ein nachhaltiges Verhalten hervorrufen. Die Umwelt darf m. E. nicht aus einer rein instrumentellen Perspektive betrachtet werden. Eine Denkweise, die auf Wertschätzung basiert und greifbar an die eigene existentielle Abhängigkeit erinnert, soll gesamtgesellschaftlich etabliert werden. Damit werden zwar die kurzfristigen Klimaziele nicht erreicht, doch wird auf Dauer aufgrund eines veränderten, zukunftsorientierten Denkens und Handelns zur Erhaltung der Umwelt nachhaltig beigetragen. Durch den Erhalt und die Förderung der Biodiversität werden die Ökosystemleistungen verbessert und damit auch der Klimawandel gemildert (Bundesamt für Umwelt, 2024). Ein schonender Umgang mit dem Boden und den anderen Ressourcen der Erde impliziert Verantwortung gegenüber künftigen Generationen und trägt zur Gesundheit aller Lebewesen bei.

 

 

Literaturverzeichnis

Bartels, Andreas (2023): «Umwelt» In: «Grundprobleme der modernen Naturphilosophie» 2. Auflage. Springer-Verlag GmbH. S. 213-234.

Bundesamt für Umwelt BAFU (2024): «Biodiversität: Das Wichtigste in Kürze» Bundesamt für Umwelt.

 https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/biodiversitaet/inkuerze.html

Letzter Zugriff: 07.10.2024

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